Dienstag, 23. Februar 2021

Grundeinkommen



Immer wieder kommen Diskussionen zum Grundeinkommen auf. Auch ich möchte dazu ein paar Gedanken äußern. Allerdings möchte ich weder auf die Modelle, noch ihre Finanzierung eingehen, denn diese wurden schon so oft besprochen und sind nachweislich machbar, dass es sinnlos erscheint hierüber noch eine weitere Abhandlung zu schreiben. Und wer zu den üblichen Schwubblern zählt, die nur palavern können, aber bereits daran scheitern, sich im Netz zu informieren, die sollten hier auch einfach außenvor bleiben. 

Im Zeitalter der Industrialisierung startete ein früher Grundeinkommensversuch am 6. Mai 1795 im englischen Speenhamland, als Friedensrichter eine neue Form der Mindestsicherung beschlossen. Ein „arbeitsamer Mann“ sollte wöchentlich einen fixen Geldbetrag erhalten, gekoppelt an den Brotpreis. Der simple, rein praktische Denkansatz war etwas mehr sozialen Ausgleich und eine kleine Umverteilung von Vermögen, besonders im Angesicht der Industrialisierung, die plötzlich, wie selbstverständlich Arbeitskräfte freisetzte und damit Ängste schürte. Ängste der Herrschenden vor einer hungernden, arbeitslosen Masse, die sie ihrer Privilegien berauben könnte. Das begründet auch, warum der Denkansatz des Grundeinkommens nie aus der Arbeiter- oder Bauernschaft kam, sondern von an der Macht partizipierenden oder Machtausübenden. Sie wollten sich mit einem kleinen Obolus freikaufen von zu erwartender Rebellion.

Und auch heute, an der erkennbaren Schwelle von künstlicher Intelligenz und Vollautomatisierung von Produktionsketten, steht man wieder vor dem Schreckgespenst von Arbeitskräften, die von ihrer Arbeit nicht mehr Leben können oder schlimmer, gar keine Arbeit mehr haben. 

Ein unüberschaubares Heer von Menschen ohne Perspektive. Ein Grundeinkommen würde aus dieser Sicht natürlich für Ruhe sorgen. Grundeinkommen als eine Variante von Brot und Spielen in einer nie gekannten Dimension.

Es ist klar, das man die Abgaben an die Arbeiterschaft stark erhöhen muss, aber unterm Strich bleiben die Reichen reich und die Armen arm,. wenn auch auf einem hohen Level, welches den unerlässlichen Konsum nicht schmälert. Man stopft schlicht Mäuler, die dann das Geld wieder in das System pumpen. Der kapitalistische Kreislauf funktioniert weiter.

Soweit so gut, doch auch dass ist vom Kapital zu kurz gedacht und grade hier schlummert der revolutionäre Gedanke. Der Mensch muss nicht mehr für seine Grundbedürfnisse arbeiten. Sicher wird es so sein, das nun einige auf der faulen Haut liegen und es wird technischen Fortschritt geben, der dieses Verhalten noch fördert. Aber es wird auch etwas anderes passieren, zum einen mag der Mensch faul sein, er lässt gerne mal "Neune grade sein." sagte meine Oma immer. Doch zum anderen, ist der Mensch jemand, der sich über Arbeit auch definiert, auch der Fleiß ist etwas, was den Mensch zum Menschen macht, ihm einen Sinn in seiner Existenz erkennen lässt. Das Geld war nie die bedeutendste Sache in der Welt des Menschen, es ist nur ein Schritt gewesen, um Zivilisation zu ermöglichen, denn diese braucht anfangs Ordnungssysteme, damit sich der Mensch in seiner Entwicklung und Expansion organisieren kann. Viel wichtiger im Leben vieler Menschen ist das Streben nach Erkenntnis, Selbstbestätigung und Zufriedenheit. Geld ist auch nur eine "Technologie"
, deren Zeit vorbei geht.

Deshalb wird ein Grundeinkommen eher als neuer Katalysator wirken, denn wer sich um die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse nicht mehr Sorgen muss, der kann tun, was er möchte. Sei es die Arbeit für ein Unternehmen, eine Organisation, welche natürlich immer Menschen für Aufgaben benötigen werden oder auch die Arbeit an ganz eigenen Projekten. 

Das Grundeinkommen wird eine ganz neue Währung schaffen, die aus Ansehen und Zufriedenheitsfaktor besteht. Technologische Ideen und Inspiration kommen vielleicht nicht mehr aus Unternehmen und Organisationen, sondern von den Menschen und werden dann erst in großen Unternehmen umgesetzt. 

Durch ein Grundeinkommen werden gesellschaftliche Mechanismen in Gang gesetzt, die zuerst den Ankauf von menschlicher Arbeitskraft und Ideenreichtum durch Unternehmen und Organisationen forcieren, neue Wettbewerbsformen ermöglichen, bis hin zu dem Punkt, wo Geld global gesehen nicht mehr nützlich ist, weil Fortschritt eine so große Eigendynamik entwickelt, dass der Mensch im allgemeinen auf alle Ressourcen zugreifen kann, ohne dafür noch Kapital aufwenden zu müssen. Denn zumindest in unserem kleinen Sonnensystem gibt es alles was wir zum Überleben brauchen im Überfluss.

Das hört sich vielleicht ein wenig nach Kommunismus an, ist es aber gar nicht, weil es ist keine Diktatur irgendeines Proletariats, sondern die natürliche Entwicklung von Vernunft. Vernunft, die auf den Nutzen jedes einzelnen setzt, der die Ressource für alle bildet. Einfach nur Gemeinschaft zum Wohle aller.


George W. Lästerbacke