Donnerstag, 11. Juni 2020

Das Anthropozän


Die Ära des Menschen das, die Wissenschaft klangvoll Anthropozän nennt. Eigentlich ist es schon etwas hochnäsig eine ganze Ära eines Planeten nach seiner eigenen, unbedeutenden Spezies zu benennen. Aber gut, wir sind so und wir können das, weil wir angeblich die einzige Spezies sind, die sich ihrer wirklich bewusst ist. Wobei die Definition Anthropozän, hergeleitet von Ánthropos im Altgriechischen "Mensch" und kainós "neu" bedeutet. Anthropozän bedeutet somit, ein neues geologisches Zeitalter, das vom Menschen bestimmt ist. Soweit zur Formalie.

Wobei sich dann schon die Frage aufdrängt, wieso geologisches Zeitalter? Wittert der Mensch vielleicht doch schon seine Bedeutungslosigkeit und bezieht geologisches auf seine einst zukünftigen, zahlreichen Knochenfunde, die mögliche Ausgräber in der Zukunft machen werden? Immerhin wird geschätzt, das seit Anbeginn unserer Spezies bereits etwa 112 Milliarden Menschen den Planeten bewohnt haben, Tendenz noch steigend. Das könnte man dann ja doch optimistisch nennen.
Doch von dem ungebrochenen Willen, mit dem Begriff Anthropozän den Höhenflug von Geist und Erkenntnis des Menschen darzustellen zeugt es ja nicht unbedingt. Selbst wenn man sich anstrengt, in die Geologie der Erde greift der Mensch doch eher weniger ein. Hier dürfte selbst allerlei Erdwurm Getier weiter vorne liegen. Betrachtet man deren schiere Masse an Erdarbeiten.

Doch nun zu meiner persönlichen Sicht auf die Namensgebung.
Ich hätte dann für das Anthropozän vermutlich eine andere Namensgebung gefunden. Vielleicht Lateinisch beeinflusst, nicht so Erdgebunden. Wenn schon eine Ära des Menschen, dann mit etwas mehr Pathos. Aber das ist bekanntlich Geschmackssache. Ich könnte mir vorstellen, das unser allseits bekannter, öffentlich-rechtlicher Wissenschaftstheologe Harald Lesch, hier auch ein besserer Name eingefallen wäre.

Soweit so gut, nun haben wir dieses Anthropozän und was machen wir daraus?
Wir haben viele geistige Höhenflüge, unzweifelhaft erfüllen wir auch den alttestamentarischen Auftrag, macht euch die Erde Untertan und wenigstens ein größerer Anteil an Menschen kommt fast ohne Götter aus. Idole lasse ich jetzt mal als Splin gelten, weil ihre Existenz meistens nicht so mörderische Auswirkungen haben, wie die Götter aller Art.

Aber sonst suhlen wir uns im Fortschrittswahn und es ist unübersehbar, einige wenige sind für den technischen Fortschritt verantwortlich, doch die Mehrheit ist dumm und benutzt ihn nur stumpfsinnig. Intellektuell kaum leistungsfähiger wie Bonobos, nur mit dem zivilisatorischeren Anstrich. Ihr kaum vorhandener Intellekt versumpft in Smartphones und Internet. Die nächste Evolutionsstufe der großen Denker wird wieder wenigen überlassen, dafür kommt die nächste Stufe der technischen Revolution.

Autos werden alleine den Weg finden, fahren und lenken sowieso, 3D Druck ersetzt Produktionsketten und revolutioniert die heimische Küche. Und der minderbegabte Mensch? Er verlernt noch mehr überlebenswichtige Techniken, rutscht irgendwann vielleicht in eine virtuelle Realität ab. Wird zum schieren Fleischbatzen, der umhegt von Maschinengeistern, seiner Existenz nicht mehr würdig.

Vielleicht heißt das Anthropozän dann das Menschen Zeitalter der technisch bedingten Degeneration, lateinisch auch "De populo age technica degeneratum".

Ich glaube das Benennungen mit Begriffen wie Anthropozän zwar sicherlich dem Ego einiger schmeicheln, aber wir sollten schnell verstehen, das wir soeben dabei sind, zu verlernen wir selbst zu sein und darin auch die größte Gefahr für die Menschheit besteht auszusterben und vergessen zu werden.

Was aber nutzen klangvolle Begrifflichkeiten, wenn es einst nicht mal mehr Menschen gibt, die unsere Geschichtsbücher lesen können? Natürlich brauchen wir Fortschritt mehr den je, doch aber nicht um zu verlernen zu leben, sondern um uns zu entwickeln. Wir benötigen Bildungsoffensiven auf breiter Front. Die Dummköpfe regieren schon zu lange und das meine ich politisch, ohne Ansicht der politischen Strömung.

George W. Lästerbacke