Mittwoch, 24. April 2019

Boris Palmers Shitstorm


Wie produziert man einen Shitstorm? Sehr lebendig demonstrierte dies am 23.04.2019 Boris Palmer mit einem einfachen Post auf Facebook. Er postete einen Screenshot der DB Online Auskunft mit der illustrierten Werbung und folgenden Text.
Wörtliches Zitat:

"Der Shitstorm wird nicht vermeidbar sein. Und dennoch: Ich finde es nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die „Deutsche Bahn“ die Personen auf dieser Eingangsseite ausgewählt hat. Welche Gesellschaft soll das abbilden?

PS: Eine Stunde später tobt der Shitstorm. Wie vorhergesehen. Alle, die mich jetzt fragen, warum ich dieses Thema aufgreife, frage ich zurück: Wenn die Auswahl dieser Bilder vollkommen belanglos, normal, unbedeutend ist, warum regt ihr euch dann so auf?

Was wir hier diskutieren, ist Identitätspolitik. Und zwar von Recht wie Links. Die einen sagen, man wisse nicht mehr, in welchem Land man lebt, die anderen bekämpfen alte weiße Männer. Und gemeinsam haben die Identitätspolitiker es ziemlich weit damit gebracht, uns zu spalten.

PPS: Nach vier Stunden sind es 1500 Kommentare. Schlicht zu viele. Ich werde das nicht lesen oder antworten."




Die Antwort der Deutschen Bahn AG auf den Facebook Post Boris Balmers lies nicht allzu lange auf sich warten, allerdings verlagerte man diese noch Publikumswirsamer auf Twitter. Eine Antwort, die offensichtlicher und populistischer nicht ausfallen konnte. Wie kann es ein Herr Boris Palmer eigentlich wagen, die schöne bunte Multi-Kulti Werbewelt der Staatsbahn in Frage zu stellen? Böser rechter Grüner Boris Palmer. Der typische Beissreflex von Bütteln einer Staatstragenden Ideologie. Nicht etwa darstellen, was man Aussagen möchte, sondern sofort mit der angepassten, aber größtmöglichen Keule auf den Kritiker hauen.
Zitat der Deutsche Bahn AG, vom Twitter Account am 23.04.2010

"Herr #Palmer hat offenbar Probleme mit einer offenen und bunten Gesellschaft. Solch eine Haltung lehnen wir ab. Nico Rosberg, Nazan Eckes und Nelson Müller sind positive und repräsentative Identifikationsfiguren. Die DB freut sich, mit ihnen zusammenzuarbeiten."

Subtext:
Herr Palmer wird mit der Unterstellung, Probleme mit der offenen, bunten Gesellschaft zu haben, sofort in die rechte Ecke gedrückt und gleichzeitig wird mit standardisierter Routine vorgetragen, dass Nico Rosberg, Nazan Eckes und Nelson Müller positive und repräsentative Identifikationsfiguren sind. Ich persönlich glaube schon, dass jede der genannten und abgebildeten Personen mit oder ohne Migrationshintergrund positive Identifikationsfiguren darstellen, die bestens in unserem Land integriert sind. Insofern finde ich die Aussage in Ordnung. Doch wenn ich von vier dargestellten Personen plus einem Kind, mit Migrationshintergrund auf diesem Bild spreche und dann nur eine Person sehe, die wohl ohne Migrationshintergrund ist, dann sollte man nicht von repräsentativ für eine bunte und offene Gesellschaft sprechen, denn dass ist nicht repräsentativ, weil die Mehrzahl der Deutschen eben keinen Migrationshintergrund hat. Fünf Migranten und ein Deutsche, das wirkt nicht als Botschaft, denn es kommt seltsam verfälschend rüber, wenn ein Herr Palmer hier schon fragt, was sagt dann der normale Deutsche dazu, liebe Deutsche Bahn AG.
Und ich frage noch etwas. Vor einigen Wochen sah ich zufällig eine Werbung der DB AG für Auszubildende. Dort sah ich aus meiner Sicht nur glückliche Bewerber, scheinbar ohne Migrationshintergrund. Was sagt dass über den Arbeitgeber Deutsche Bahn AG aus? Glückliche Bahnkunden mit Migrationshintergrund, aber Migranten als Arbeitskräfte nicht erwünscht? Ich weis, dass man das im Volksmund, den Spieß umdrehen nennt, aber ich finde, sie haben sich dass verdient.
Denn ob ihre Imagewerbung einfach nur dumm, doppelmoralisch oder gar rassistisch ist, entscheide ich nicht so schnell, wie sie über einen Boris Palmer urteilen.
Ich frage lieber, ob sie ein Problem mit dem ganzheitlichen Konzept von Werbung haben, dass die Leitlinie eines Unternehmens vermarktet.

Boris Palmers beantwortete die Antwort der Deutschen Bahn AG wiederum auf Facebook vom 23.04.2019. Denn Twitter mit 300 Zeichen, taugt für schnöden Populismus, aber nun mal nicht für eine sachliche Antwort
Wörtliches Zitat:


Liebe Deutsche Bahn AG,

"Danke für deine Antwort auf Twitter. Leider beginnt diese jedoch mit einer Unterstellung. Ich habe kein Problem mit einer offenen und bunten Gesellschaft. In meiner Aussage, dass ich die Kriterien der Bildauswahl nicht verstehe, steckt auch keine Haltung, die es zu bekämpfen gilt.

Für mich als Betrachter sind diese fünf Bilder von Personen, die ich nicht kenne, in der Auswahl erklärungsbedürftig. Nur eine der fünf Personen scheint keinen Migrationshintergrund zu haben. Das ist ungewöhnlich und ich würde gerne die Absicht dahinter verstehen.

Wenn die Bahn aktuell eine offiziell erklärte Kampagne für Toleranz, Migration und Vielfalt durchführt, ist die Auswahl nachvollziehbar. Dann hat die Bahn entschieden, ein bestimmtes Gesellschaftsbild zu propagieren. Das kann sie tun, aber eine gesellschaftliche Debatte darüber sollte dann auch fair geführt werden.

Wenn die Bilder nicht im Zusammenhang mit einer Kampagne stehen – ich habe leider keinen entsprechenden Hinweis gefunden, vielleicht geben Sie mir den noch? – frage ich mich einfach, warum Menschen ohne erkennbaren Migrationshintergrund auf der Seite der Deutschen Bahn nur noch als Minderheit dargestellt werden.

Es gibt ihm Rahmen der Debatte über Identitätspolitik und alte weiße Männer die These, man müsse denen, die bisher nicht aufgrund ihrer Identität diskriminiert wurden, eine eigene Diskriminierungserfahrung zuteil werden lassen, um sie sensibler für Diskriminierung zu machen. So könnte man es deuten, wenn alte weiße Männer in der Bildauswahl der Deutschen Bahn nicht mehr vorkommen.

Für meine Begriffe ist das präzise die Trennlinie zwischen Antidiskriminierungspolitik, die von den meisten Menschen in Deutschland vollständig unterstützt wird, auch von mir, und einer neuen Form der Spaltung der Gesellschaft anhand von Merkmalen, für die niemand etwas kann, diesmal aber unter der Fahne der Antidiskriminierung. Benachteiligungen abbauen, ist immer und überall richtig. Neue Benachteiligungen für andere als Ausgleich für bestehende Benachteiligungen aufbauen, das ist nicht zielführend.

Und sollte diese Form der Identitätspolitik der Sinn Ihrer Bildauswahl gewesen sein, dann stört mich keines der Bilder, aber der Gedanke hinter der Auswahl."


Subtext:
Ich denke Boris Palmer hat sich mit seinem vorhergesagten Shitstorm selbst übertroffen. Er sagt uns, die ideologisierte Gesellschaft springt über jedes Stöckchen, welches man ihm hinhält. Er hat dem Affen Zucker gegeben, wie man so schön sagt und kann sich zufrieden zurück lehnen, denn er ist im Gespräch.

George W. Lästerbacke