Freitag, 15. Dezember 2017

Spur der Steine


Liebe Freunde und Leser. Ich als Schreiberling, bin ich vielleicht eine etwas modifizierte Ausgabe der Spezies Mensch, wie der Leser. Warum? Weil ich ein so großes Mitteilungsbedürfnis habe, dass ich alles denkbare aufschreibe, worüber andere nur so, hinweg gehen. Und natürlich äußere ich auch unverschämt gerne, meine Meinung zu aktuellen Themen der Politik und der Welt.
Nicht wirklich aus Eitelkeit, auch wenn ich schon glaube, das meine Meinung fundiert ist. Was übrigens wohl jeder denkt, der, der Welt etwas sagt, aber einige Leser vermutlich nicht von mir.
Doch dass ist mir persönlich ja egal, hätte ich nicht das Selbstbewusstsein, so zu denken, würde ich es nicht aufschreiben.

Das hier geschriebene, kann man auch nur als Vorwort sehen, denn eigentlich geht es heute darum, dass wir, ich und ihr, oftmals, die kleinen Dinge aus den Augen verlieren. Die Dinge, die unsere Welt eigentlich am laufen halten oder auch der Menschen dahinter. Die kleine Rädchen im Getriebe, die uns erst auffallen, wenn das Getriebe kaputt geht.

Das ist eine Geschichte, über keine Geschichte, die sonst aufgeschrieben würde, obwohl sie ein Problem an den Anfang stellt und ein Happy End hat.
Doch meist ist uns das Alltägliche zu unwichtig, darüber überhaupt nachzudenken. Weil etwas Selbstverständliches passiert. Dabei ist das selbstverständlich erscheinende, eben nicht selbstverständlich.

Das witzige an meiner Schreiberei ist, dieses Vorwort ist länger, als diese Geschichte selbst. Denn es ist der eher ungelenke Versuch, unser Oberflächlichkeit, dass wir heute alles, als selbstverständlich nehmen, was doch so, gar nicht selbstverständlich ist zu erklären.

“Spur der Steine.“
Wer mich gelegentlich liest, weiß, ich komme aus Eisenhüttenstadt. Herausragendes Merkmal der Stadt, es war die erste sozialistische Retortenstadt, auf deutschen Boden und bleibt es auch. Eine Stadt für ein Stahlwerk.
Auf Grund der interessanten Architektur der 1950er Jahre, gilt der Stadtkern und einzelne Wohngebiete als Fächendenkmal und erfreut sich einer gewissen touristischen Attraktivität. Und ich kann euch versichern, es wohnt sich auch sehr gut hier. Ordentlich, sauber und grün, eigentlich schon fast spießig. Aber ich verrate nichts neues, wenn ich sage, die alten Kommunisten waren schon etwas spießig und die Stadt spiegelt das eben in der Architektur wieder. Schön sollte der neue sozialistische Mensch es damals haben.

Doch nun, geht es aber wirklich los mit der Geschichte.
Ich sitze jeden Tag, bei Wind und Wetter eine Stunde draußen und löse, wie sollte es heute auch anders sein, mit einer App auf dem Smartphone, zwei oder drei Kreuzworträtsel. Das ist meine Art, etwas vom Schreiben am Computer zu entspannen.
Oft lernt man dabei auch Leute kennen, die ihren Hund Gassi führen, Kinder die spielen und man wird sogar irgendwann so etwas Institutionelles, es fällt auf, wenn man wegbleibt.
Es entwickelt sich sogar, so etwas, wie ein gesellschaftlicher Status, es reden Leute mit einem, die man nie kennengelernt hätte, man wird eingeladen und vor allen Dingen, man sieht viel, so ganz nebenbei, aus dem Augenwinkel. Manche Inspiration meiner Arbeit, kam direkt von meinem Sitzplatz auf dem Hof.

Wie die Inspiration zu der “Spur der Steine“ heute und dem Gedanken, wieder mehr auf de kleinen Dinge zu achten und sie euch auch mitzuteilen. Aber nun wirklich zu der kurzen Erzählung.

Ich saß heute wieder mal, so auf dem Hof, auf der Mauer. Mein gelbes Smiley Kissen unterm Hintern und tippte Wort für Wort, der Lösung meines Kreuzworträtsels entgegen. Da kam ein Handwerker des Weges und begann, den mit kleinen Pflastersteinen ausgelegten Boden eines Tunnelbogens auszubessern. Unsere Stadt hat viele, dieser Mosaikartig angelegte Wege und Straßen. Des Denkmalschutzes sorgt für deren Erhalt. Erst nahm ich es, wie meistens, als nebensächliche Begebenheit war. Doch nach wenigen Minuten, viel mir ein, ich weiß überhaupt nicht richtig, wie so eine Reparatur von statten geht. Nur rein theoretisch, hatte ich eine Vorstellung davon.
Aber letztlich ist so eine Arbeit sehr wichtig, weil diese Sorte Natursteinpflaster natürlich, wenn sie anfängt zu arbeiten und sich Steine lösen, schnell eine Unfallquelle darstellt, als sprichwörtlicher Stolperstein. Nebenbei bemerkt, diese Unfallquelle kann am Ende tödliche Verletzungen verursachen und Menschenleben kosten, wenn ein Mensch unglücklich stürzt.

Ein Grund dafür, warum ich jetzt abschweife und nie verstanden habe, das ein Künstler und Staatsbedienstete, eine Kunstaktion “Stolperstein“ realisieren und finanzieren, die mit Sicherheit auch hätte realisiert werden können, ohne eine potentielle Gefahr für Leib und Leben von Menschen als namentliches Vorbild zu nehmen.
“Stolperstein“ ist in der Sache eine gute Aktion, weil sie vor Gebäuden, Menschen namentlich in unserer Erinnerung rückt, die dort wohnten und Opfer der Willkür und des Terrors des Hitler-Regimes wurden. Menschen deren einziger Fehler es war, Juden zu sein, oder eben auch Andersdenkende. Das man diese Menschen nicht vergessen sollte, finde ich gut, dass man ihnen wieder Namen gibt, finde ich sogar noch besser.
Ich verstehe sogar die moralische Metapher, des über die Namen der Opfer Stolperns.
Doch ich bezweifle die Wirkung solch plakativ, un-plakativer Aktionen. Ich glaube die Wirkung verpufft. Name und Umsetzung sind nicht Zielführend. Den hastigen Passanten des Alltages, erreicht man damit nicht, um kurz inne zu halten. Geschichtliches Verständnis und Erinnerung erwirkt man so auch nicht. Denn das Schlüsselwort heißt Bildung, Bildung und nochmals Bildung. Das denke ich jedenfalls darüber. Und was unsere politischen Eliten über Hass und Verfolgung Andersdenkender gelernt haben, das können wir dem heutigen Zeitgeist entnehmen. Welcher einfache Bürger, die sich gestatten eine eigene Meinung zu haben, zu Nazis und damit geistigen Massenmördern degradieren.


Doch genug des kleinen Gedankenschlenkers, nun wieder zum Natursteinpflaster.

Ich beobachtete also diesen Handwerker und beschloss, mir das aus der Nähe anzusehen und ging also zu dem Arbeiter. Ich fragte ihn natürlich, ob ich ihn stören würde und erklärte ihm, das ich nur neugierig wäre, wie man das ausbessert.
Bereitwillig zeigte er mir, wie es funktioniert. Der Untergrund ist Sand und eigentlich wird der Stein nur angeordnet, wie ein Mosaik, dann eingehämmert mit einem Hammer und wieder mit Sand verfestigt. Wenn alles fertig ist, wird ein zementhaltiges Pulver darüber gestreut und mit einem Besen verteilt, welches durch die Reaktion auf die Luftfeuchtigkeit verhärtet und somit Festigkeit in die Fugen bringt.
So reparierte der versierte Mann, eine Fläche von ca 30x40 cm in kaum zwanzig Minuten, preiswert und gut, da die Steine ja schon seit etwa sechzig Jahren dort liegen. Und man kann davon ausgehen, dass sie dort nun wieder Jahrzehnte liegen werden, bis eine Ausbesserung nötig ist.
So hatte ich heute eine billige Lektion in Sachen nutzen alter Techniken und der Sinnlosigkeit vieler heute angewandter Bautechniken. Denn noch heute gibt es Straßen in der Stadt, die ebenso gebaut wurden und immer noch halten. Während man zuschauen kann, wie asphaltierte Straßen nach wenigen Jahren reparaturbedürftig werden.

Nun, ich will ja nicht angeben liebe Leser, aber ihr merkt selbst, wie viel man aus so einer kleinen Beobachtung erkennen kann, wenn man sich nur damit beschäftigt. Anstöße für andere Gedankengänge, Respekt vor der Leistung anderer, Respekt vor dem Können unserer Vorfahren und ein wenig unbequemer Geschichte, der wir Gedenken können und müssen.

George W. Lästerbacke