Samstag, 21. April 2012

Musen auf Facebook, Inspiration, Milchkaffee, Zeitmaschinen, bloggen, Ich und Sex.



Es mag an und in Facebook Vieles zu bemängeln geben. Doch Facebook hat auch unbestreitbare Vorteile. Neben den Millionen, oberlehrerhaften Besserwissern, Klugscheißern und Dummköpfen, die in der Regel ihre unausgegorenen Gedanken hinwerfen und ihre gedanklichen Ergüsse für die absolut Wahrheit halten, trifft man täglich auch auf die Klugen, oft leiseren Menschen. Personen die, die Zeit, welche man online opfert, wettmachen. Die Personen, die uns etwas lehren und geben, ohne Fanatismus und Penetranz. Personen, die von uns etwas lernen. Menschen, die uns Inspiration geben. Oft sind es Menschen gleichen Geschlechts, die uns zu interessanten Diskussionen und Gedanken anregen, resultierend aus der Erlebnis- und Gefühlswelt eines Mannes.

Oft sind es auch diese weiblichen Partner im Netz, die so wunderbar anders sind als wir Männer und uns doch so gleichen. Die Musen, die uns zum Schreiben anregen oder zum träumen. Vielleicht auch zum verträumten schreiben. Ich trage nicht gern Masken, vermeide die Charaden des Alltags, will authentisch sein. Ich verstehe mich als dass essenzielle Fleisch gewordene Gute & Böse, Jing & Yang. Jemand der, die Mitte gefunden hat, um sein Leben lebenswerter zu machen.

Ich provoziere, diskutiere und lästere gern, um mich und meine Umwelt geistig wachsen zu lassen und wachsam zu bleiben. Wenn ich auf Facebook einmal wieder so eine Muse treffe, dann freue ich mich. Weil ich so weit entfernt bin, nur diese geistige Nähe ausschöpfen und genießen kann. Dass ich, nicht mit Ihr schlafen »muss«. Die Formulierung mit ihr »schlafen«, ist in diesem Fall natürlich im übertragenen Sinne zu verstehen. Es ist die Vermeidungsstrategie, körperlicher Nähe zu zulassen und geschlechtsneutral eigenen Gemeinsamkeiten zu entdecken. Einfacher ausgedrückt, der Wegfall, des Balzverhaltens. Man verheddert sich zu schnell in Balz- und Werberitualen, das geistige Befruchten ist schön und lässt Freiräume. Entfernung empfinde ich im diesem speziellen Fall als Freiheit. Wobei ich natürlich nicht in Abrede stellen möchte, dass diese geistige Harmonie des Intellekts und oder aber auch der anregende Disput, eine hochgradig sexuelle Spannung aufbaut, die sich bei gegenseitigen Gefallen und stimmiger »Chemie« schnell in körperliche Begierde wandeln kann. Die Entfernung befreit von einigen direkten Einflüssen. Das miteinander “Schlafen“, ist dann, also weniger ein Muss, als eine spätere Konsequenz der geistigen Interaktion. Was ein absolut wunderbares Ende, eines über Tage und Wochen geführten online Gespräches sein kann. Die Entfernung macht dass jedoch oft unmöglich. Was auch gut so ist.

Denn so gerne ich den Hurensohn darstelle, der ich vermutlich wohl auch bin, so sehr schätze ich Abstand. Der es mir ermöglicht vergeistigt und individuell zu sein. Ohne die Belastung des direkten zwischenmenschlichen Kontakts. Denn unsere Individualität im Denken unterscheidet uns von schlichten Herdenvieh. Der Ruf der Natur ist ein natürlicher Zwang, der uns zu oft verbindet. Dort wo Distanz angesagt wäre, um frei zu denken.

Deshalb mag ich Facebook. Es befreit uns oft von natürlichen und kulturellen Zwängen. Auch wenn diese Zwänge, die uns oft selbst auferlegten Fesseln, so schön sein können.

Ich blogge auch öfters fast zwanghaft dem Drang folgend, meine augenblicklichen Gedanken nicht zu verlieren. Ich betrachte meine Blogs als geistiges Zwischen- und Endlager. Oftmals ist die Ansicht »Was interessiert mich, mein Geschwätz von gestern.«, die beste Sicht auf die eigene Gedankenwelt. Den auch Gedanken unterliegen einem evolutionären Prozess, sonst sind sie nichts wert. Doch auf das Archiv der eigenen Gedanken und Ansichten zurück greifen zu können, ohne Bände von zu Papier gebrachten Gedanken wälzen zu müssen, das ist der Vorteil, des Menschen im 21. Jahrhundert.
Seine Gedanken in der Unendlichkeit des Internets verwahrt zu wissen ist gut. Zwischen Nullen und Einsen, sind unsere Ideen verewigt, ohne uns zu behindern. Wie können zurücksehen, ändern und löschen, doch irgendwo im Nirgendwo, da sind Sie dann doch, die Echos unseres Selbst, von gestern. Das Internet ist unsere private Zeitmaschine, die dem Geist vorbehalten ist.

Einen wunderbaren großer Milchkaffee trinken, auch einen Zwang, dem ich mich nur zu gern hingebe. In sich ruhend, in der Sonne sitzen im Straßencafé oder beim Bäcker, Kaffee trinken, vielleicht mit Bekannten oder unbekannten Menschen reden. Die Menschen im Vorbeigehen betrachten. Mitten im vorbei hastenden Leben und doch mit sich und einem Milchkaffee allein.
Die Welt betrachten vorbei gleiten lassen und später genau über diese Welt oder Andere schreiben zu können. Diese Art Zwänge bestimmen uns. Es sind diese freiwilligen Augenblicke, die fesseln und befreien.

Der Mensch scheint mir immer zwanghaft in einem Kreislauf gefangen. Doch so lange dieser Kreislauf freiwillig ist, so lange ist auch der Kreislauf Freiheit. Es ist eine andere Art von sich fallen lassen.


George W. Lästerbacke